In der aufstrebenden Welt der Elektromobilität, in der technologische Fortschritte und Veränderungen an der Tagesordnung sind, kommt eines oft zu kurz: die Entwicklung einer gesunden, agilen Organisationskultur. Entsprechende Organisationsentwicklung ist aber nicht nur eine Notwendigkeit, sondern ein entscheidendes Werkzeug für den Erfolg der oft neu gegründeten Einheiten. In dieser besonderen Ausgabe von 'Hinter den Kulissen' tauchen wir tiefer in die Welt der Team- und Organisationsentwicklung im Kontext der Elektromobilität ein. Wir haben heute zwei Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet bei uns. Zunächst begrüße ich Marc Rogowski, einen renommierten Psychologen, Coach und Organisationsentwickler. Herr Rogowski hat einen beeindruckenden Hintergrund in systemischer Personal- und Organisationsentwicklung und begleitet schon lange mit seinem Beratungsunternehmen "Choreoo – the human side of change" Unternehmen bei Fragen rund um die Entwicklung effektiver Teams. Ebenso herzlich willkommen heiße ich Dr. Andreas Pfeiffer, erfahrene Führungskraft und Business Innovator, sowie Eigentümer der Managementberatung greenventors.
Willkommen, Herr Rogowski und Herr Dr. Pfeiffer. Herr Rogowski, welche Bedeutung messen Sie der Teamkultur und dem Teamgeist für den Erfolg von Teams bei, insbesondere in einem so zukunftsweisenden Bereich wie der Elektromobilität?
Herr Rogowski: Teamkultur und -geist sind für jedes Team entscheidend. Sie bilden den Klebstoff, der ein Team zusammenhält, besonders wenn es durch die typischen, mitunter herausfordernden Entwicklungsphasen geht - von der Formierung über Konflikte bis hin zur reibungslosen Zusammenarbeit. In einem innovativen Feld wie der Elektromobilität, wo sich die Dinge agil ändern und Teams oft ebenso schnell wachsen und aufgebaut werden sind diese Phasen umso kritischer. Hinzu kommt, dass hier häufig recht neu gegründete Einheiten antreten – die aber an einer bestehenden, etablierten Organisation angedockt sind. Sie sollen dann im Spirit und der Geschwindigkeit eines Startups arbeiten, und gleichzeitig Rahmenbedingungen etablierter Organisationen respektieren. Das erzeugt zusätzlich Spannung.
Sie sprechen von verschiedenen Entwicklungsphasen. Wie können Führungskräfte ihre Teams dabei unterstützen, diese Phasen effizient zu durchlaufen?
Herr Rogowski: Es geht zunächst darum, als Führungskraft ein Bewusstsein für die jeweilige Phase des eigenen Teams zu haben. Im Anfangsstadium beispielsweise sind Teams oft sehr enthusiastisch, können aber auch chaotisch sein. Hier benötigen sie klare Strukturen und Rahmenbedingungen. In späteren Phasen, wenn eventuell Konflikte auftreten, ist es wichtig, diese offen anzusprechen und zu klären. Ein gutes Team zeichnet sich durch eine hohe Reife aus, in der alle Mitglieder effizient und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Um dies zu erreichen, braucht es eine klare Kommunikation, psychologische Sicherheit und auch die Bereitschaft, immer wieder an sich zu arbeiten.
Danke für diese Erläuterung. Könnten Sie diese Phasen näher erläutern und uns zeigen, wie sie im Kontext der Elektromobilität besonders relevant sind?
Herr Rogowski: Gerne gehe in noch einmal detaillierter auf die einzelnen Phasen ein. Zunächst gibt es die Formierungsphase, in der sich ein Team findet und kennenlernt. In dieser Phase sind die Beziehungen oft höflich und oberflächlich, da die Mitglieder noch unsicher sind und ihren Platz finden wollen. Es folgt die Phase der Konflikte oder des Sturms, in der Meinungsverschiedenheiten und Reibungen auftreten können. Diese Phase kann besonders intensiv sein, wenn man bedenkt, wie neu und unbekannt das Gebiet der Elektromobilität für viele ist und wie viele verschiedene Hintergründe und Perspektiven im Spiel sind.
Das klingt herausfordernd. Wie gelangt ein Team von dieser konflikthaften Phase zu einer effektiven Zusammenarbeit?
Herr Rogowski: Mittels klärender Führung, die Konflikte nicht scheut, sondern aktiv angeht und löst. Das ist nicht immer leicht, und manchmal braucht man hier externen Rat, Coaching oder ein paar Workshops. Aber dann gelingt es.
Nach der Konfliktphase kommt die Normierungsphase, in der das Team beginnt, Klarheit über Rollen, Verantwortlichkeiten und Erwartungen zu gewinnen. Es entwickelt Regeln und Prozesse, um effektiv zu arbeiten. Schließlich, wenn diese Normen fest etabliert sind, tritt das Team in die Leistungsphase ein, in der es effizient und harmonisch zusammenarbeitet. Es ist der Punkt, an dem das Team wirklich anfängt, sein volles Potential im Bereich der Elektromobilität zu entfalten.
Es geht dabei nicht darum einzelne Mitglieder des Teams zu ‚reparieren’, sondern vielmehr darum, Muster zu erkennen, die die Teamdynamik beeinflussen und zu verstehen, wie man diese Muster zum Vorteil des Teams nutzen kann oder neu gestalte werden können. Marc Rogowski
Das ist interessant. Könnten Sie uns mehr darüber erzählen, wie ein systemisches Coaching diese Prozesse unterstützen kann?
Herr Rogowski: Natürlich. Systemisches Coaching ist ein Gegenstück zu bekannten Expertenberatung, die oft mit fertigen Lösungen an Problemstellungen herangeht. Was meistens nicht nachhaltig klappt. Unsere Art des Coachings betrachtet das Team als Ganzes, im Kontext seines Umfelds. Es geht dabei nicht darum einzelne Mitglieder des Teams zu ‚reparieren’, sondern vielmehr darum, Muster zu erkennen, die die Teamdynamik beeinflussen und zu verstehen, wie man diese Muster zum Vorteil des Teams nutzen kann oder neu gestalte werden können.
Dr. Pfeiffer, Sie haben Marc Rogowskis Ausführungen zur Teamentwicklung aufmerksam verfolgt. Aus der Perspektive einer Führungskraft, wie interpretieren Sie die beschriebenen Phasen der Teamentwicklung und ihre Bedeutung im Kontext der Elektromobilität?
Dr. Pfeiffer: Marcs Einblicke in die Teamentwicklungsphasen sind sehr treffend, besonders im sich rasch verändernden Umfeld der Elektromobilität. Es ist entscheidend, als Führungskraft zu erkennen, in welcher Phase sich das Team gerade befindet. Im Anfangsstadium - und das kann der eigene Einstieg in ein Team als "neuer Chef" oder der komplette Neuaufbau eines Bereiches sein - , wenn alles neu und aufregend ist, sehe ich es als wichtige Aufgabe, Orientierung zu bieten und erste Strukturen zu setzen. Dies gibt dem Team Sicherheit und einen klaren Rahmen, um Höchstleistungen zu bringen.
Im Anfangsstadium, wenn alles neu und aufregend ist, sehe ich es als wichtige Aufgabe, Orientierung zu bieten und erste Strukturen zu setzen. Dies gibt dem Team Sicherheit und einen klaren Rahmen, um Höchstleistungen zu bringen. Dr. Andreas Pfeiffer
Sie sprechen von Orientierung und Struktur. Wie gehen Sie in Konfliktphasen vor, wenn Meinungsverschiedenheiten oder Reibungspunkte im Team auftreten?
Dr. Pfeiffer: Konflikte sind in der Teamdynamik oft unvermeidlich und können sogar konstruktiv sein, wenn sie richtig gehandhabt werden. In diesen Phasen ist es meine Rolle, ein offenes Ohr für das Team zu haben, vermittelnd einzugreifen und sicherzustellen, dass wir trotz Meinungsverschiedenheiten gemeinsame Visionen und Ziele verfolgen. Es ist essenziell, klare Kommunikationswege zu schaffen und das Team daran zu erinnern, dass wir alle denselben übergeordneten Zweck verfolgen: die Mobilität zu revolutionieren.
Wenn wir den Blickwinkel nun verändern: Als Interims-Manager sind Sie nicht fest in der Organisation verankert, sondern kommen für einen bestimmten Zeitraum an Bord. Wie interpretieren Sie die Teamentwicklungsphasen in diesem Kontext, und welche Unterschiede oder Herausforderungen sehen Sie im Vergleich zur Rolle einer festen Führungskraft?
Dr. Pfeiffer: Als Interims-Manager hat man in der Tat eine etwas andere Perspektive. Man kommt oft in Phasen des Umbruchs oder der Veränderung in ein Unternehmen. Das Bewusstsein für die Teamentwicklungsphasen ist auch hier entscheidend. Der größte Unterschied ist vielleicht, dass man als Interims-Manager den Vorteil eines frischen Blicks von außen hat. Dies kann helfen, alte Muster schneller zu durchbrechen und neue Impulse zu setzen. Die Herausforderung liegt jedoch oft darin, das Vertrauen des Teams in kurzer Zeit zu gewinnen. Es ist wichtig, schnell zu kommunizieren, dass man das Wohl des Teams und des Unternehmens im Blick hat und konstruktiv zur Entwicklung beitragen möchte, auch wenn man nur temporär an Bord ist.
Ein zentraler Aspekt meiner Arbeit ist es, die Führungskraft zu befähigen, sich selbst und ihr Team besser zu verstehen, Reflexionsräume zu schaffen und lösungsorientierte Wege zu erarbeiten. Marc Rogowski
Herr Rogowski, Sie sind als systemischer Coach und Organisationsentwickler tätig. Wie gehen Sie konkret vor, wenn Sie Führungskräfte in diesen komplexen Situationen begleiten?
Herr Rogowski: In meiner Arbeit mit Führungskräften fokussiere ich mich zuerst darauf, ein tiefes Verständnis für ihre individuellen Herausforderungen und Ziele zu gewinnen. Das systemische Coaching ermöglicht es, sowohl den Einzelnen als auch die Beziehungen und Dynamiken im Team zu betrachten. Ein zentraler Aspekt meiner Arbeit ist es, die Führungskraft zu befähigen, sich selbst und ihr Team besser zu verstehen, Reflexionsräume zu schaffen und lösungsorientierte Wege zu erarbeiten. Dabei ist es mir wichtig, gemeinsam konkrete Handlungsschritte zu entwickeln, die sowohl kurzfristige Erfolge ermöglichen als auch langfristig zur Weiterentwicklung beitragen.
Das klingt nach einer sehr erfüllenden Arbeit. Warum bereitet Ihnen gerade das Coaching von Führungskräften in der Elektromobilität so viel Freude?
Herr Rogowski: Mir ist es wichtig, Menschen und Organisationen in einem so dynamischen und zukunftsweisenden Feld wie der Elektromobilität zu unterstützen. Es geht nicht nur darum, technologische oder wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern, sondern auch darum, Teams und Individuen dabei zu helfen, ihr volles Potential zu entfalten. Jedes Mal, wenn ich sehe, welche positiven Veränderungen durch unsere gemeinsame Arbeit entstehen, bestätigt es mir, wie wertvoll und wirkungsvoll Coaching sein kann. Und wenn ich so ein wenig zur Energiewende beitragen kann, freut mich das nochmal mehr.
Dr. Pfeiffer, Sie haben sich intensiv mit den unterschiedlichen Facetten der Elektromobilität beschäftigt. Wie spielen fachliche Inhalte, Technikwissen und das Kundenverhalten in der Mobilität in Ihrer Arbeit zusammen?
Dr. Pfeiffer: Die Elektromobilität ist ein interdisziplinäres Feld. Es reicht nicht aus, nur technisches oder energiewirtschaftliches Wissen zu haben. Man muss auch das Kundenverhalten verstehen, um erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und vermarkten zu können. Die Interaktion zwischen den Teammitgliedern und die Teamperformance sind eng miteinander verbunden und entscheidend für den Erfolg, vor allem, wenn man mit so heterogenen Teams arbeitet wie ich es tue.
Egal, ob die Teammitglieder einen heterogenen Unternehmenshintergrund haben oder frisch von der Universität kommen - wir alle suchen doch nach einem sinnstiftenden Gemeinsamen. Dr. Andreas Pfeiffer
Sie haben in Ihrer Karriere mit vielen unterschiedlichen Teams gearbeitet. Wie schaffen Sie es, aus solch heterogenen Gruppen ein kohärentes Team zu formen?
Dr. Pfeiffer: Aus meiner Sicht geht es darum, eine gemeinsame Vision und klare Handlungsmuster zu schaffen. Egal, ob die Teammitglieder einen heterogenen Unternehmenshintergrund haben oder frisch von der Universität kommen - wir alle suchen doch nach einem sinnstiftenden Gemeinsamen. Ich liebe es, intensiv mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenzuarbeiten und gemeinsam eine Vision zu entwickeln. Entscheidend ist, ihnen nicht nur das Gefühl zu geben, Teil von etwas Größerem zu sein, sondern dies auch tatsächlich zu leben, indem man die Vision und sich selbst weiterentwickelt - als Team und als Einzelperson.
Zum Abschluss, könntet ihr beide jeweils einen Handlungsvorschlag für Führungskräfte formulieren, wie sie in der neuen Situation der Elektromobilität erfolgreich sein können?
Herr Rogowski: Klar, mein Vorschlag: Investieren Sie Zeit und Ressourcen in die Entwicklung Ihrer Teams. Dies ist eine Investition, die sich mehrfach auszahlt. Und dabei geht es nicht nur um fachliche Weiterbildung, sondern vor allem um die Entwicklung von Teamkultur und -dynamik. Dysfunktionale Teams sind sehr kostspielig und schwer zu heilen. Ich rate zu einer frühzeitigen Investition um einen guten Start zu sichern.
Dr. Pfeiffer: Mein Vorschlag wäre, sich immer wieder die Zeit zu nehmen, mit dem Team gemeinsam über die Vision und die Ziele zu sprechen. Wichtig ist es, Visionen und Ziele als Entwicklungsprozess zu verstehen. Und schaffen Sie Räume, in denen offene Kommunikation und Feedback möglich sind. Das schafft Vertrauen und bindet die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Die Elektromobilität ist ein faszinierendes und herausforderndes Feld, das ständig in Bewegung ist. Doch bei all dem technologischen Fortschritt und den Marktveränderungen bleibt eines konstant: Der Erfolg hängt maßgeblich von Menschen ab - von Teams, die effektiv zusammenarbeiten, und Organisationen, die sich anpassen und wachsen. Wie Herr Rogowski und Dr. Pfeiffer heute betont haben, sind eine starke Teamkultur, systemisches Coaching und ein Verständnis für den Reifegrad der Organisation entscheidende Faktoren für den Erfolg in diesem dynamischen Umfeld.
Aus diesem Beitrag möchten beide Experten Führungskräfte in der Elektromobilität drei wesentliche und konkrete Handlungshinweise mitgeben:
1. Investieren in Teamentwicklung: Führungskräfte sollten bewusst in die Entwicklung ihrer Teams investieren, sowohl in Bezug auf fachliche Weiterbildung als auch in Bezug auf Teamkultur und -dynamik. Das Bewusstsein für die verschiedenen Teamentwicklungsphasen und die Bereitstellung von Unterstützung während dieser Phasen, sei es durch Coaching oder andere Interventionsmethoden, ist entscheidend.
2. Entwicklung einer gemeinsamen Vision: Es ist wichtig, dass Führungskräfte regelmäßig mit ihren Teams über die Vision und Ziele des Unternehmens sprechen. Die ständige Reflexion und Anpassung dieser Visionen und Ziele ermöglicht es den Teams, sich weiterzuentwickeln und sich an die sich verändernden Anforderungen der Elektromobilität anzupassen.
3. Förderung offener Kommunikation und Feedback: Ein offener Dialog und klare Kommunikationswege sind entscheidend, um Vertrauen innerhalb des Teams aufzubauen und Meinungsverschiedenheiten oder Reibungspunkte effektiv zu bewältigen. Es ist wichtig, Räume zu schaffen, in denen Mitarbeiter Feedback geben und ihre Bedenken äußern können. Dies fördert nicht nur das Vertrauen, sondern auch die allgemeine Teamdynamik und Effizienz.