Die Elektromobilität nimmt in der Energiewende eine zentrale Rolle ein. Doch wie können flexible Preise an Ladesäulen dazu beitragen, die Integration erneuerbarer Energien zu erleichtern und gleichzeitig Elektromobilität für Nutzer attraktiver zu machen? In dieser Ausgabe von "Hinter den Kulissen" sprechen wir mit Dr. Kerim Ben Hamida, Experte für dynamische Energiemarktmodelle, und Dr. Andreas Pfeiffer, erfahren im Bereich Elektromobilitätsstrategie und Standortmanagement, über Herausforderungen und Möglichkeiten flexibler Preissysteme.

Dr. Ben Hamida, in Ihrem Artikel beschreiben Sie flexible Preise als „Hidden Champion“ der Energiewende. Was macht sie so besonders?
Dr. Ben Hamida: Flexible Preise sind ein entscheidender Hebel, um die volatile Stromproduktion aus erneuerbaren Energien effizienter zu nutzen. Sie bieten ein direktes Preissignal an die Verbraucher: In Zeiten hoher Stromverfügbarkeit sind die Preise günstig, was Fahrer dazu motiviert, ihre Elektrofahrzeuge gezielt dann zu laden. Diese Mechanismen helfen nicht nur, die Nachfrage an die Verfügbarkeit anzupassen, sondern reduzieren auch Netzbelastungen und senken die Stromkosten für Nutzer. Das Besondere ist, dass diese Modelle sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile bieten.
Dr. Pfeiffer, wie sieht das in der Praxis für Schnellladenetzbetreiber aus? Welche Herausforderungen gibt es?
Dr. Pfeiffer: Flexible Preise sind technisch umsetzbar und bieten Schnellladenetzbetreibern die Chance, auf die Dynamik des Strommarktes zu reagieren. Die Herausforderung liegt weniger in der Technik, sondern vielmehr in der klaren Kommunikation mit den Nutzern. Es ist entscheidend, Preissignale so aufzubereiten, dass sie verständlich und leicht zugänglich sind. In der Praxis bedeutet das, dass Systeme in Echtzeit arbeiten müssen, um sowohl die Preisdaten als auch die Netzlast zu integrieren.
Wer versteht, wie solche Modelle aufgesetzt werden, erkennt schnell, dass es nicht nur um die technische Infrastruktur geht, sondern auch darum, wie man Nutzer aktiv in diese Flexibilität einbindet. Das Zusammenspiel aus Technik, Marktverständnis, politischer Rückenwind und Kommunikation ist hier der Schlüssel.
Dr. Pfeiffer, wie können Schnellladenetzbetreiber durch die Integration dynamischer Preismodelle und die Nutzung von Spotmärkten ihre Energiebeschaffung optimieren?
Dr. Pfeiffer: Die Energiebeschaffung für Schnellladeparks erfordert eine präzise Bedarfsprognose und die Fähigkeit, flexibel auf Marktbedingungen zu reagieren. Durch die Nutzung dynamischer Preismodelle können Betreiber ihre Beschaffungskosten senken, indem sie Energie zu Zeiten niedriger Preise einkaufen. Dies setzt jedoch eine enge Verzahnung mit den Spotmärkten und eine datenbasierte Analyse des Energiebedarfs voraus. Ein tiefes Verständnis dieser Mechanismen ermöglicht es Betreibern, nicht nur Kosten zu sparen, sondern auch die Preisgestaltung für Endkunden attraktiver zu gestalten.
Welche Rolle spielt die Kundenkommunikation bei der erfolgreichen Umsetzung flexibler Preise?
Dr. Ben Hamida: Dynamische Preise funktionieren prinzipiell überall, wo Verbraucher flexibel auf Preissignale reagieren können. Intelligente Wallboxen können beispielsweise so programmiert werden, dass sie nur dann laden, wenn der Strom besonders günstig ist. Im privaten Bereich könnte dies dazu führen, dass Haushalte erneuerbare Energien noch effizienter nutzen. Dennoch entfaltet dieses Modell im öffentlichen Ladenetz eine stärkere Wirkung, weil dort der Einfluss auf die Netzstabilität größer ist und die Masse an Nutzern flexibler reagieren kann.
Dr. Pfeiffer, wie realistisch ist die Umsetzung solcher Modelle im Roaming-Bereich? Welche Herausforderungen sehen Sie?
Dr. Pfeiffer: Im Roaming wird es natürlich komplexer. Es gibt mehrere Akteure, von CPOs über EMSPs bis hin zu Roaming-Plattformen, die die Preissignale weitergeben müssen. Die größte Herausforderung ist, dass die Preisdynamik entlang der gesamten Kette sichtbar und verständlich bleibt.
In der Praxis erfordert das standardisierte Schnittstellen und klare Regeln für die Preisweitergabe. Zudem brauchen EMSPs ein tiefes Verständnis dafür, wie sie Preisdaten in ihre Systeme integrieren und den Endnutzern transparent darstellen können.
Hier zeigt sich, dass die Erfahrung im Umgang mit Marktmechanismen und technischen Standards ein entscheidender Faktor ist.
Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Umsetzung flexibler Preise im Kontext von CPOs und EMSPs?
Dr. Ben Hamida: Die Zusammenarbeit zwischen CPOs und EMSPs ist hier ein zentraler Punkt. Während CPOs die Strompreise direkt an der Ladesäule steuern können, müssen EMSPs diese Preisdynamik in ihre Systeme integrieren und an die Endkunden weitergeben. Die Herausforderung liegt darin, dass viele EMSPs nicht direkt in die Strombeschaffung eingebunden sind. Sie müssen also Preissignale über mehrere Ebenen hinweg transportieren, was die Transparenz erschwert und technischen Aufwand mit sich bringt.
Dr. Pfeiffer: Genau. In der Praxis zeigt sich oft, dass CPOs die Aufgabe haben, ihre Preismodelle verständlich zu machen, während EMSPs die Kundenschnittstelle darstellen. Dies setzt voraus, dass alle Beteiligten über standardisierte Schnittstellen kommunizieren und dass Preisdaten in Echtzeit übertragen werden. Wer diese Prozesse versteht, weiß, dass es vor allem auf die reibungslose Integration zwischen technischen Systemen und die klare Rollenverteilung ankommt.

Dr. Ben Hamida, in Ihrem Artikel beschreiben Sie, wie negative Strompreise entstehen und genutzt werden könnten. Welche Auswirkungen hat das auf die flexible Preisgestaltung an öffentlichen Ladesäulen?
Dr. Ben Hamida: Negative Strompreise entstehen, wenn das Stromangebot die Nachfrage übersteigt, zum Beispiel durch eine plötzliche Zunahme erneuerbarer Energieerzeugung an windigen oder sonnigen Tagen – genannt die „Hellbriese“. Da es in Deutschland regulatorisch schwierig ist, Erzeugungsanlagen einfach abzuschalten, wird überschüssiger Strom häufig über den Spotmarkt zu negativen Preisen verkauft. Das bedeutet, dass Verbraucher dafür bezahlt werden, Strom zu nutzen.
Für öffentliche Ladesäulen bietet dies enorme Chancen: Flexible Preise können direkt auf diese negativen Preissignale reagieren und den Strom so günstig wie möglich an Nutzer weitergeben. Dies motiviert Fahrer, ihre Fahrzeuge genau dann zu laden, wenn erneuerbare Energie im Überfluss vorhanden ist. Gleichzeitig wird die Netzbelastung reduziert, und der Bedarf an zusätzlicher Netzkapazität sinkt.
Welche Rolle spielt die Kundenkommunikation bei der erfolgreichen Umsetzung flexibler Preise?
Dr. Ben Hamida: Kundenkommunikation ist der Schlüssel. Flexible Preise funktionieren nur, wenn Nutzer wissen, wann und warum sie von günstigen Zeiten profitieren können. Die Preisgestaltung muss einfach und klar sein. Tools wie Apps oder Preisanzeigen an den Ladesäulen können hier helfen, die Akzeptanz bei den Nutzern zu steigern. Durch eine frühzeitige Preisprognose an der Börse kann ein potenzielle Kunden an der Ladesäule seine Ladezeitpunkt in seinen Tagesablauf einplanen.
Dr. Pfeiffer: Das sehe ich genauso. Wenn Nutzer verstehen, wie die Preise entstehen und wie sie ihre Kosten beeinflussen können, steigt nicht nur die Akzeptanz, sondern auch die Bereitschaft, die eigenen Ladegewohnheiten anzupassen. Wer sich auskennt, weiß, dass Preiskommunikation keine Nebensache ist, sondern ein zentraler Bestandteil erfolgreicher flexibler Preismodelle.
Flexible Preise sind ein vielversprechender Ansatz, um erneuerbare Energien effizienter zu nutzen, Elektromobilität förderlich zu gestalten und gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile zu schaffen. Wie das Interview zeigt, erfordert die erfolgreiche Umsetzung jedoch ein tiefes Verständnis für technische, regulatorische und kommunikative Aspekte. Mit Experten wie Dr. Ben Hamida und den Erfahrungen aus der Praxis wird klar: Die Zukunft flexibler Preise ist greifbar, wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Bleiben Sie gespannt auf weitere Einblicke in "Hinter den Kulissen" – dort, wo Visionen für die Elektromobilität Wirklichkeit werden.