Willkommen hinter den Kulissen der Meffert AG Farbwerke. Seit der Gründung im Jahr 1947 hat sich die Unternehmensgruppe mit Hauptfirmensitz in Bad Kreuznach, Rheinland-Pfalz, zu einem von Europas effizientestem Farben-, Lack-, Putz- und Dichtmassenhersteller entwickelt. Wie alle Marktteilnehmer steht auch die Meffert AG vor der Aufgabe nachhaltige Geschäftspraktiken zu entwickeln. Daher richten wir im folgenden Interview unseren Blick auf eine weitere konkrete Maßnahme innerhalb ihrer Nachhaltigkeitsinitiative „lean&green“ – die Elektromobilität der gewerblichen Flotte.
Wir werden tief in den Prozess eintauchen, der von der Konzeption bis zur Implementierung reicht. Die damit verbundenen Schlüsselstrategien und Herausforderungen werden für Sie beleuchtet und zeigen beispielhaft, wie aktiver Umweltschutz und betriebliche Effizienz Hand in Hand gehen.
Begleiten Sie uns im Gespräch mit Dr.-Ing. Ronald Große, der maßgeblich an der Entwicklung und Projektplanung beteiligt war, und Dr. Andreas Pfeiffer, der als strategischer Berater von greenventors GmbH das Projekt unterstützt hat.
Dr. Große, könnten Sie uns einen Überblick über den Umfang der Flottenumstellung geben? Wie viele Fahrzeuge wurden umgestellt und was ist für die Zukunft geplant?
Dr. Große: Ziel ist es, unseren Unternehmensfuhrpark von ca. 150 Fahrzeugen in den kommenden 6 Jahren zu annähernd 100% auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Wir haben das Projekt Mitte 2022 gestartet und zunächst mit einer Online-Befragung verschiedene Nutzerprofile unserer Dienstwagenfahrer ermittelt. Zwei dieser Nutzerprofile eignen sich dabei schon heute besonders für die Umstellung auf ein E-Fahrzeug. Daher konnten wir schon etwa 30 Dienstfahrzeuge auf Elektrofahrzeuge umstellen. Weitere 40 Fahrzeuge sind aktuell noch bestellt und wir planen ihren Einsatz in 2024. Dabei berücksichtigen wir verschiedene Einsatzszenarien, um die Effizienz und Verfügbarkeit der Fahrzeuge zu maximieren.
Welche Einsatzszenarien sind das und wie wurden diese im Projekt berücksichtigt?
Dr. Große: Wir haben drei Haupteinsatzszenarien identifiziert: Charge at Home für unsere Außendienstmitarbeiter, Charge at Office für die Poolfahrzeuge und Charge enRoute für Langstreckenfahrten ermittelt. Für das Charge at Home haben wir ein Förderprogramm für unsere Mitarbeiter ins Leben gerufen, das die Installation von Wallboxen zu Hause unterstützt. Charge at Office wurde durch den Aufbau einer intelligenten Ladeinfrastruktur auf unseren Betriebsgeländen in Verbindung mit einem massiven PV-Ausbau realisiert. Und für Charge en Route haben wir Partnerschaften mit Ladeanbietern entlang der Hauptverkehrswege unserer Mitarbeiter geschlossen. Grundlage für alle Ladevorgänge ist ein flexibles Backend, welches unserem Fuhrparkmanager per Knopfdruck die Informationen generiert, die er für seine tägliche Arbeit benötigt.
Ich möchte noch betonen, dass es für unser Projektteam wichtig war, eine maximale Akzeptanz für das Thema bei allen Stakeholdern zu schaffen. Dies kann nur funktionieren, wenn man die Fragestellungen und Befürchtungen der Mitarbeiter bereits identifiziert hat und für diese die passenden Lösungen vorbereitet hat.
Dr. Pfeiffer, nachdem Dr. Große uns von dem erfolgreichen Elektrifizierungsprojekt der Meffert AG Farbwerke berichtet hat, würden wir gerne mehr darüber erfahren, wie greenventors ein solches Vorhaben strukturiert.
Dr. Pfeiffer: Sehr gerne. Unsere EV Integration Methodology, die wir in Praxisprojekten entwickelt und verprobt haben, folgt einem siebenstufigen Prozess. Wir starten mit einer Bedarfsanalyse, gefolgt von einem umfassenden Stakeholder Management. Danach entwickeln wir ein detailliertes Konzept, das in die Planungsphase übergeht. Nach der Planung folgt die Implementierung der Infrastruktur. Sobald diese steht, konzentrieren wir uns auf den Betrieb und die Wartung und schließen den Zyklus mit einer Evaluation und Skalierung ab, um die Infrastruktur kontinuierlich zu verbessern und an wachsende Anforderungen anzupassen.
Dr. Große, Ihr Projekt bei Meffert ist ein Paradebeispiel für nachhaltige Innovation. Können Sie uns einige Zahlen nennen, die diesen Erfolg untermauern?
Dr. Große: Natürlich. Durch die Umstellung auf Elektromobilität werden wir den CO2-Ausstoß unserer Dienstwagenflotte von etwa 800 Tonnen pro Jahr auf deutlich weniger als 300 Tonnen reduzieren. Das entspricht einer Einsparung von rund 500 Tonnen CO2 pro Jahr – das ist so viel, wie ein Wald mit 4000 Bäumen in einem Jahr aufnehmen kann, das entspricht etwa 4 Hektar Wald.
Dr. Pfeiffer, wer sind aus Ihrer Sicht die relevanten Stake- und Shareholder in einem solch wichtigen Nachhaltigkeitsprojekt?
Dr. Pfeiffer: Ein Projekt dieser Größenordnung berührt viele Bereiche eines Unternehmens und darüber hinaus. Neben den Mitarbeitern und der Unternehmensführung, die eine Vision und Unterstützung bieten muss, sind insbesondere der Fuhrparkverantwortliche und die Facilitymanager Schlüsselfiguren. Sie sind diejenigen, die die täglichen Abläufe kennen und sicherstellen, dass die Umstellung reibungslos funktioniert. Im konkreten Fall der Meffert AG war auch der Haus- und Hofelektriker des Vertrauens ein entscheidender Stakeholder. Seine Expertise und sein Engagement waren unerlässlich für die erfolgreiche Installation und Wartung der Ladeinfrastruktur.
Dr. Große, wie viel Ladeinfrastruktur wurde bei Meffert realisiert?
Dr. Große: Für die Dienstfahrzeuge am Stammsitz in Bad Kreuznach stehen mittlerweile mehr als 50 Parkplätze mit einem Zugang zu leistungsstarker Ladeinfrastruktur sowie ein 150kW HPC zur Verfügung. Alle anderen deutschen Standorte wurden ebenfalls mit Ladeinfrastruktur ausgestattet. Diese Zahl mag zunächst hoch erscheinen, aber wir haben uns für eine zukunftssichere Strategie entschieden, die bereits die geplante Erweiterung der Flotte berücksichtigt. Zusätzlich hat die Geschäftsleitung entschieden, dass unsere Außendienstmitarbeiter als Kompensation für den Wegfall der KfW-Förderung für private Ladestationen eine interne Förderung erhalten werden. Dies stellt sicher, dass unsere Außendienstmitarbeiter ihre Fahrzeuge über Nacht aufladen können, was eine optimale Verfügbarkeit für den nächsten Arbeitstag garantiert. Eine Vergütung erfolgt steuerkonform auf Basis von Daten aus unserem Backendsystem.
Dr. Pfeiffer, wie beurteilen Sie die Bedeutung einer solchen Infrastruktur für die Zukunft der Elektromobilität in Unternehmen?
Dr. Pfeiffer: Eine robuste Ladeinfrastruktur ist das Rückgrat der Elektromobilität in jedem Unternehmen. Sie ist nicht nur für den täglichen Betrieb entscheidend, sondern auch ein sichtbares Zeichen für das Engagement des Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit. Meffert hat hier eine klare Botschaft gesendet und eine Infrastruktur geschaffen, die nicht nur den aktuellen, sondern auch den zukünftigen Anforderungen gerecht wird. Gleichzeitig ist vorbildlich, wie Dr. Große und das Team von Meffert das Thema „Erneuerbare“ hier mitgedacht hat!
Dr. Große, wie wurden die Mitarbeiter in die Realisierung des Projekts einbezogen?
Dr. Große: Die Mitarbeiterbefragung zu Beginn war ein Schlüssel zum Erfolg. Wir haben nicht nur ihre Präferenzen und Bedenken verstanden, sondern auch ihre Bereitschaft, aktiv an der Gestaltung des Projekts teilzunehmen. Durch den Dialog mit den Dienstwagenfahrern konnten wir früh erkennen, dass die Möglichkeit zur Schnellladung am Stammsitz in Bad Kreuznach das Schlüsselelement für die Akzeptanz dargestellt hat. Einige unserer Mitarbeiter wurden zu Elektromobilitäts-Botschaftern, die ihre Kollegen über die Vorteile und den Umgang mit den neuen Fahrzeugen und der Ladeinfrastruktur informierten.
Dr. Große, wie hat die Förderung für Elektromobilität die Umstellung bei Meffert beeinflusst?
Dr. Große: Die verschiedenen Förderungen haben es uns ermöglicht, die anfänglichen Kosten für die Umstellung des Fuhrparks und den Aufbau der Ladeinfrastruktur zu reduzieren. Sie war für uns aber kein notwendiges Kriterium. Die Umstellung wäre auch ohne Fördermittel gekommen. Die Installation von PV-Anlagen an unseren Standorten in Verbindung mit ständig steigenden Treibstoffpreisen machen das Projekt auch ohne Fördermittel lukrativ. Trotzdem haben die Fördermittel für die Ladeinfrastruktur und die Kaufprämien für Elektrofahrzeuge die Investitionen für uns noch einmal deutlich attraktiver gemacht. Gleichzeitig haben die Anreize bei der Dienstwagenbesteuerung von der Mitarbeiterseite her das Thema getrieben.
Dies hat uns ermutigt, schneller und umfassender zu handeln, als wir es ohne diese finanzielle Unterstützung getan hätten. Es war ein wichtiger Katalysator, der uns geholfen hat, unser Engagement für Nachhaltigkeit und Innovation voranzutreiben.
Dr. Pfeiffer, wie sehen Sie denn generell die langfristigen Auswirkungen solcher Projekte auf die Betriebskosten?
Dr. Pfeiffer: Wie Dr. Große bereits erläutert hat, ist die Umstellung auf Elektromobilität und die Eigenerzeugung von Strom nicht nur aus ökologischer Sicht sinnvoll, sondern auch ökonomisch. Langfristig können Unternehmen wie Meffert ihre Betriebskosten deutlich senken, insbesondere durch die Reduzierung von Kraftstoffkosten und Wartungsaufwendungen. Zudem verbessert die Nutzung von Solarstrom die Energiebilanz und trägt zur Unabhängigkeit von Energiepreisschwankungen bei. Entscheidend ist hierbei, dass ein intelligentes Energiemanagement den im Abgleich von betrieblichen Anforderungen beispielsweise in der Produktion mit den Bedarfen der Ladeinfrastruktur automatisiert steuert und insgesamt optimiert. Langfristig können so auch Ansätze wie Vehicle-to-grid in der Praxis zu einer weiteren Energiekostenoptimierung führen.
Dr. Pfeiffer, könnten Sie uns einen Überblick über die aktuell verfügbaren Förderungen für Elektromobilität geben und welche davon besonders sinnvoll für Unternehmen sind?
Dr. Pfeiffer: Aktuell gibt es eine Reihe von Förderprogrammen, die für Unternehmen sehr attraktiv sind. Dazu gehören Kaufprämien für Elektrofahrzeuge, die direkt die Anschaffungskosten senken. Zudem gibt es umfangreiche Zuschüsse für den Aufbau von Ladeinfrastruktur, die bis zu 90 % der förderfähigen Kosten abdecken können. Diese Förderungen sind besonders sinnvoll, da sie nicht nur die Initialkosten reduzieren, sondern auch die langfristige Betriebskostenoptimierung unterstützen. Darüber hinaus gibt es Fördermittel für die Erstellung von Elektromobilitätskonzepten, die Unternehmen dabei helfen, den Umstieg strategisch zu planen. Diese Programme sind essenziell, um die Elektromobilität in der Breite voranzutreiben und Unternehmen den Einstieg zu erleichtern.
Wenn das hört, Dr. Pfeiffer, glauben Sie, dass der frühzeitige Einstieg in die Elektromobilität auch unabhängig von der Förderung sinnvoll ist?
Dr. Pfeiffer: Absolut. Das Beispiel der Meffert AG zeigt dies schon eindrucksvoll. Auch ohne Förderung ist der Einstieg in die Elektromobilität eine weise Entscheidung. Langfristig führt die Elektrifizierung von Fahrzeugflotten zu erheblichen Einsparungen bei den Betriebskosten, insbesondere durch geringere Kraftstoff- und Wartungskosten. Zudem verbessert sie das Image eines Unternehmens als nachhaltig und zukunftsorientiert, was wiederum die Markenwahrnehmung stärkt. Förderungen sind zwar hilfreich, aber die eigentliche Triebkraft sollte eine langfristige Strategie sein, die auf Effizienz, Kostenersparnis und Nachhaltigkeit abzielt.
Heute haben wir einen tiefen Einblick in die transformative Reise der Meffert AG Farbwerke erhalten, die sich von einem kleinen Familienbetrieb zu einem führenden Akteur in der Farben- und Lackindustrie entwickelt hat. Mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Effizienz hat Meffert einen bedeutenden Schritt unternommen, indem es Elektromobilität in seine gewerbliche Flotte integriert hat. Dieses Projekt, das von Dr.-Ing. Ronald Große geleitet und von Dr. Andreas Pfeiffer von greenventors GmbH als strategischem Sparringspartner unterstützt wurde, zeigt, dass Umweltbewusstsein und betriebliche Effizienz Hand in Hand gehen können. Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge und die Installation einer umfangreichen Ladeinfrastruktur sind nicht nur ein Bekenntnis zum Umweltschutz, sondern auch ein strategischer Zug, der langfristige Kosteneinsparungen verspricht. Die Meffert AG hat bewiesen, dass mit dem richtigen Projektmanagement, der Einbindung aller relevanten Stakeholder und der Nutzung verfügbarer Fördermittel eine solche Umstellung nicht nur machbar, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft ist.
Die von greenventors entwickelte EV Integration Methodology kann sich als ein wertvolles und praxiserprobtes Werkzeug erweisen, das Unternehmen dabei unterstützt, ihre Flotten nachhaltig zu elektrifizieren. Die siebenstufige Methode bietet einen klaren Rahmen für die systematische Umsetzung von Elektromobilitätsprojekten und hat sich in der Praxis bewährt.
Die Meffert AG hat mit diesem Projekt eine Vorreiterrolle eingenommen und gezeigt, dass der Übergang zu einer grüneren Zukunft nicht nur eine Frage der Technologie, sondern auch der Vision und des Engagements ist. Die Einsparungen von rund 500 Tonnen CO2 pro Jahr sind ein beeindruckendes Zeugnis dafür, was erreicht werden kann, wenn ein Unternehmen entschlossen handelt.
Die Diskussion heute hat auch deutlich gemacht, dass Elektromobilität eine Herausforderung darstellt, die jedoch mit einem durchdachten Ansatz und der richtigen Unterstützung erfolgreich gemeistert werden kann. Die Meffert AG hat einen Weg aufgezeigt, wie Unternehmen ihre Flotten effizient elektrifizieren und gleichzeitig einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Dieses Projekt dient als Inspiration und Blaupause für andere Unternehmen, die den Schritt in eine nachhaltigere Zukunft wagen möchten.
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